Sichere Kunststoffe für genusstaugliches Trinkwasser

Die Kunststoff-Trinkwasser-Bewertungsgrundlage (KTW-BWGL) als Vorreiterin der EU-Trinkwasserrichtlinie

Sascha Hupach, Shimadzu Deutschland GmbH
Markus Janssen, Shimadzu Europa GmbH

Sauberes Trinkwasser ist ein wichtiges Gut, dessen wir uns hier in Europa zum Glück sicher sein können. Die Qualität ist daher von entscheidender Bedeutung. Hersteller, die Produkte wie Rohre, Schläuche oder andere Kunststoffteile produzieren, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen, stehen vor der Herausforderung, die strengen Anforderungen der EU-Trinkwasserrichtlinie zu erfüllen. Um sicherzustellen, dass diese Produkte die menschliche Gesundheit nicht schädigen, werden sie in Laboren umfassend geprüft, einschließlich der Durchführung von TOC-Analysen zur Erkennung unerwünschter organischer Bestandteile.

Gesundheitsschädliche Substanzen, die von Kunststoffen ins Wasser übergehen können, wie beispielsweise Weichmacher, rücken zunehmend ins Bewusstsein der Bevölkerung. Um die Verbrauchersicherheit zu gewährleisten, ist es für Hersteller daher Pflicht, dass Produkte, die Kontakt mit Trinkwasser haben, sowohl technisch als auch hygienisch dafür geeignet sind. Für Europa wurde daher Artikel 11 der EU-Trinkwasserrichtline [1] eingeführt, der ab diesem Jahr in jedem Mitgliedsstaat umgesetzt sein muss.

Zum Glück ist es in Europa nichts Neues, Werkstoffe und Produkte aus Kunststoff hinsichtlich ihrer hygienischen Eignung zu überprüfen. Deutschland hatte sich sogar schon vor Inkrafttreten der EU-Trinkwasserrichtline mit drei weiteren EU-Mitgliedsstaaten in der sog. „4 Member States (4MS) Initiative“ zusammengeschlossen und eine Vorreiterrolle übernommen.[2] Bis 2021 hielt man sich in Deutschland an die KTW-Leitlinie (Kunststoff-Trinkwasser). Zur Umsetzung der EU-Richtlinien wurde diese dann von der KTW-BWGL (Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser) abgelöst.[3] Diese Richtlinie hilft dabei, die hygienische Eignung von organischen Materialien für den Kontakt mit Trinkwasser zu beurteilen, und legt fest, welche Anforderungen Kunststoffe erfüllen müssen. Die Trinkwasserqualität darf weder durch den Kontakt mit den Werkstoffen der Anlagen noch durch Verunreinigung durch extrahierbare Substanzen beeinträchtigt werden.

Die Anforderungen gelten nicht nur bei Kunststoffen, sondern auch bei organischen Beschichtungen und Schmierstoffen. Das betrifft neben Rohren oder Schläuchen auch viele verschiedene Produkte oder Bauteile, wie Dichtungen, Hähne, Zähler, Zuleitungen, Membrane für Ausdehnungsgefäße und viele mehr.

Das Ziel dieser Prüfungen ist eine „Konformitätsbestätigung der trinkwasserhygienischen Eignung von Produkten“, die durch akkreditierte Institutionen durchgeführt werden.

Prüfung von Kunststoffen mit Migrationswässern

Die Eignung von Kunststoffen für den Einsatz im Trinkwasserbereich wird über sogenannte Migrationswässer geprüft, die das Labor herstellt. Entsprechend der geltenden Vorgaben werden Eluate in einem bestimmten Verhältnis von Wasser zur Oberfläche des Produkts angesetzt. Diese werden anschließend hinsichtlich der Parameter Geruch, Trübung, Färbung, Schaumbildung und des TOC analysiert.

Zur Herstellung der Migrationswässer unterzieht das Labor jedes Werkstück einer Vorbehandlung. Diese besteht aus einer Spül- und einer Stagnationsphase. Anschließend wird das Prüfstück für mindestens drei Migrationsphasen mit Trinkwasser versetzt, um die Migrationswässer zu erzeugen. Diese Migrationsperioden können je nach Verwendungszweck des Bauteils oder Materials mit Kaltwasser (72 Stunden bei 23 °C) oder mit Heißwasser (24 Stunden bei
60–85 °C) durchgeführt werden.

Für einen im Kaltwasserbereich verwendeten Schlauch sieht die Vorgehensweise folgendermaßen aus:

Zur Vorbehandlung wird das Prüfstück (ein Schlauchstück) über einen Zeitraum von 1 Stunde mit Kaltwasser gespült. Anschließend wird der Schlauch – mit Wasser gefüllt – verschlossen und man lässt das Wasser für 24 Stunden stagnieren. Danach wird der Schlauch erneut 1 Stunde vorgewaschen.

Kriterien

Organische Materialien

Metallische Materialien

Zement- gebunden

Emaille und keramische Materialien

Organoleptische Prüfungen

Geruch und Geschmack

X

X

Farbe und Trübung

X

X

Allgemeine hygienische Bewertungen

Abgabe von gesamtem organischem Kohlenstoff (TOC)

X

X

Oberflächenrückstände (Metalle)

X

Migrationsprüfung

TrinkwV-relevante Parameter

X

X

X

X

MTCtap von Stoffen auf Positivlisten

X

X1

Unerwartete Stoffe (GC-MS)

X

X1

Einhaltung der Liste zulässiger Materialien

X

X

Förderung von mikrobiologischem Wachstum

X

X1

Tabelle 1: Auszug aus der EU-Trinkwasserrichtlinie (EU) 2020/2184, Artikel 11 – Prüfung in Bezug auf die Materialart
X1: Abhängig von der Anwesenheit organischer Stoffe im Material

Herstellung der Migrationswässer: Nach dem Vorwaschen wird der Schlauch mit Wasser gefüllt und verschlossen. Man lässt das Wasser über den Zeitraum einer Migrationsperiode (hier 72 Stunden bei 23 °C) stagnieren. Dann wird das Migrationswasser (Analysenprobe) entnommen und der Schlauch neu befüllt – die nächste Migrationsperiode beginnt. Dabei ist wichtig, dass die Migrationsperioden ohne Unterbrechung hintereinander erfolgen.

Sind die Migrationswässer hergestellt, werden zeitnah die geforderten Analysen nach den entsprechenden Normen durchgeführt.

Der Summenparameter TOC

Der TOC (total organic carbon = gesamter organischer Kohlenstoff) ist hierbei ein wichtiger Summenparameter. Er gibt die Summe aller ins Wasser emigrierten organischen Komponenten in einem Konzentrationswert an.

Das Labor nutzt dazu die etablierte Methode der Bestimmung des TOC durch die sogenannte Direkt- oder NPOC-Methode. Dabei wird die Wasserprobe zur Probenvorbereitung mit einer Mineralsäure vermengt und vorhandene Carbonate oder Hydrogencarbonate zu Kohlenstoffdioxid umgesetzt. Anschließend wird das CO2 mit einem Spülgas aus der Probe ausgetrieben. Dann wird ein Aliquot der vorbereiteten Probe in einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre auf einen heißen Platinkatalysator injiziert. Hierbei werden die organischen Verbindungen zu Kohlenstoffdioxid oxidiert und durch ein Trägergas zu einem CO2-selektiven Detektor (NDIR) transportiert. Die Fläche des entstehenden Peaks entspricht dem Äquivalent der TOC-Konzentration.

Moderne TOC-Analysatoren, wie die der TOC-L Serie von Shimadzu, übernehmen die gesamte Probenvorbereitung (Ansäuern und Ausgasen) vollautomatisch – entweder im Autosampler oder im Analysator selbst. Sie oxidieren die organischen Komponenten bei einer Temperatur von 680 °C auf einem hocheffektiven Platinkatalysator. Die TOC-L Systeme haben zudem eine automatische Verdünnungsfunktion für Proben, aber auch von Standardlösungen zur Erstellung von Mehrpunktkalibrationen, selbst in äquidistanten Konzentrationsabständen. Damit lassen sich z. B. aus einer Stammlösung automatisch 10-Punkt-Kalibrierungen erstellen – das spart dem Anwender viel Zeit. Zudem kann das System den Messbereich durch automatische Probenverdünnung entsprechend erweitern.

Essenziell für Qualität und Sicherheit unseres Trinkwassers

Labore, die Produktprüfungen durchführen, sind ein entscheidender Baustein für die Sicherheit unseres Trinkwassers. Sie gewährleisten, dass nur Materialien und Produkte, die strenge Tests bestanden haben, mit unserem Trinkwasser in Berührung kommen. Damit soll verhindert werden, dass Substanzen aus diesen Materialien in unser Trinkwasser gelangen und es verunreinigen oder ungenießbar machen. Dazu werden Migrationswässer hergestellt und analysiert. Neben dem Summenparameter TOC werden auch Geruch/Geschmack, Trübung und Färbung bestimmt, um sicherzustellen, dass unsere Trinkwasserqualität nicht beeinträchtigt wird. Die EU-Trinkwasserrichtlinie und die KTW-BWGL liefern die notwendigen Leitlinien, die Labore dann in die Praxis umsetzen, um unsere Wasserqualität zu schützen.

[1] https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2020/2184/oj

[2] https://www.europeandrinkingwater.eu/initiative/

[3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/trinkwasser/trinkwasser-verteilen/bewertungsgrundlagen-leitlinien#bewertungsgrundlage-fur-kunststoffe-und-andere-organische-materialien-im-kontakt-mit-trinkwasser

Application News. 05-SCA-130-406-EN. Janssen, Markus.

https://www.shimadzu.eu/sites/shimadzu.seg/files/pim/pim_document_file/seg_eu/applications/
application_note/23951/05-SCA-130-406-EN_TOC_for_evaluation_of_DW_contact_material_24C.pdf