Urban Mining – nachhaltig und sicher

Die neue Ersatzbaustoffverordnung zwingt Labore zum Umdenken

Dr. Johannes Hesper, Shimadzu Europa GmbH
Nico Gilles, Shimadzu Deutschland GmbH

Wachsendes Umweltbewusstsein, aber auch Rohstoffknappheit führen in der Bauindustrie zu einem Umdenken. Bei Bau- und Sanierungsprojekten werden immer mehr Sekundärrohstoffe verwendet. Damit von diesen Materialien keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht, legt die neue Ersatzbaustoffverordnung (EBV) [1] die rechtlichen Rahmenbedingungen fest. Unter anderem wurden auch die Grenzwerte für viele Schwermetalle herabgesetzt. Für Prüflabore hat dies Konsequenzen, denn sie müssen künftig neue Methoden und Geräte einsetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Sie sind vielfältig, vielseitig einsetzbar und darüber hinaus noch nachhaltig: Ersatzbaustoffe. Hergestellt aus Sekundärrohstoffen, werden sie in der Bauindustrie verwendet, um primäre Rohstoffe zu ersetzen. Dazu gehören beispielsweise Materialien wie Aschen/Schlacken, Altsände, Bodenaushub und Recyclingmaterialien. Dadurch wird die Nachfrage nach primären Rohstoffen verringert, die Abfallmenge reduziert und die Umweltauswirkungen werden minimiert.

Einsatzgebiete für Ersatzbaustoffe

Im Straßenbau können Beton, Ziegel und Asphalt in recycelter Form als Unterbau für Straßen, Gehwege und Parkplätze dienen sowie als Füllmaterial im Tiefbau. Im Gebäudebau kann beispielsweise recycelter Gips in Gipskartonplatten verwendet werden. Die recycelten Baustoffe Beton und Ziegel können als Aggregate in neuem Beton genutzt werden. Bei der Sanierung und Rekultivierung von Deponien und Bergbaugebieten können Ersatzbaustoffe dazu beitragen, die Bodenqualität zu verbessern und die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern.

Um die Verwendung dieser Materialien noch weiter zu fördern und somit die Kreislaufwirtschaft zu stärken, wurde in Deutschland die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) entwickelt, die am 1. August 2023 in Kraft trat. Sie führt wesentliche Änderungen in der Verwendung von Ersatzbaustoffen ein, gewährleistet aber auch mehr Rechtssicherheit für Verwender und Recyclingunternehmen. 

Doch nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa gibt es Regularien und Standards für Ersatzbaustoffe, die ähnliche Ziele wie die deutsche EBV verfolgen.

Im Vereinigten Königreich (UK) gilt das  Qualitätsprotokoll für die Herstellung von Granulaten/Zuschlagstoffen aus Inertabfällen (Quality Protocol for the production of aggregates from inert waste). Dieses Protokoll legt Qualitätsstandards für die Verwendung von Inertabfall als Ersatz für natürliche Aggregate fest. Es enthält wesentliche Leitlinien für die Verwendung von Inertabfällen und stellt sicher, dass die daraus gewonnenen Granulate bestimmte Normen erfüllen. Der Bodenqualitätsbeschluss (Besluit bodemkwaliteit) in den Niederlanden regelt die Verwendung von Boden und Baggergut. Er legt Grenzwerte für Schadstoffe fest und verlangt, dass die Materialien keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. In Frankreich gibt es das Dekret über die Aufwertung von Aushub und Sand (Décret sur la Valorisation des Déblais et des Sables). Dieses beinhaltet die Bedingungen für die Verwendung von Aushub- und Sandmaterialien in der Baubranche. Und in Belgien gibt es die flämische Verordnung über die nachhaltige Bewirtschaftung von Stoffkreisläufen und Abfällen (VLAREMA), die die Verwendung von Ersatzbaustoffen regelt und Grenzwerte für verschiedene Schadstoffe festlegt.

Alle zielen darauf ab, die Verwendung von Ersatzbaustoffen zu fördern und dabei hohe Standards für die Sicherheit und Umweltverträglichkeit zu gewährleisten. Sie zeigen, dass das Streben nach Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Bauindustrie ein gemeinsames Anliegen in ganz Europa ist.

Neue Methoden, neue Geräte

Was für Recycler und Bauunternehmen mehr Sicherheit und Erleichterung mit sich bringt, bedeutet für viele Prüflabore neue Vorgehensweisen und möglicherweise sogar notwendige Erweiterungen. Denn: Eine wichtige Änderung betrifft die Grenzwerte für die Gruppe Bodenmaterial und Baggergut. Die neue EBV legt hier strengere Grenzwerte für eine Reihe von Schadstoffen fest, einschließlich Schwermetallen wie Blei, Cadmium, Thallium und Quecksilber.

Diese niedrigeren Grenzwerte, speziell für Cadmium und Thallium, erfordern in vielen Laboren ein Umdenken in der Analytik, da die häufig genutzte ICP-OES-Technik (Inductively Coupled Plasma Optical Emission Spectrometry) die geforderten Grenzwerte nicht erreicht und auch die bewährte Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) in der neuen Verordnung nur noch für die Bestimmung von Quecksilber vorgesehen ist.

Damit müssen zwei häufig verwendete Analysentechniken ersetzt werden. Dies gelingt besonders gut mit der ICP-MS-Technik (Inductively Coupled Plasma Mass Spectrometry), da sie eine sehr hohe Sensitivität und Genauigkeit bietet. Sie kann selbst geringste Mengen (ppb und kleiner) an Schwermetallen erkennen, die in einer Probe vorhanden sind.

Nico Gilles, Produktspezialist Elementspektroskopie bei Shimadzu Deutschland, entwickelte eine neue Methode, mit der Prüflabore mittels ICP-MS unkompliziert robuste und stabile Messergebnisse erzielen können trotz schwieriger Probenmatrix. Getestet wurde am Shimadzu ICPMS. Dabei mussten die Proben sämtliche erforderlichen Tests hinsichtlich Langzeitstabilität, Wiederfindungsrate und Nachweisgrenze bestehen.

Durch das optimierte Torch-Design der neuen ICPMS-2040 und -2050 Serie wird zusätzlich ein niedriger Argonverbrauch bei gleichzeitig gesteigertem Probendurchsatz gewährleistet.

Abbildung 1: Das neue ICPMS-2050

Methodenentwicklung

Für die Entwicklung der Methode wurden alle Proben wie in der Ersatzbaustoffverordnung vorgegeben genommen und aufbereitet. Dazu wurde der geforderte wässrige Eluatansatz gemäß DIN 19529 und der Königswasseraufschluss gemäß DIN 13657 durchgeführt.

Bei der ICP-MS wird die zuvor gelöste Probe standardmäßig mit einem internen Standard versetzt, um mögliche Fehlerquellen während der Analyse zu kompensieren. Diese interne Referenz ist somit ein wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung, die die Verlässlichkeit der Messergebnisse erhöht. 

Die flüssige Probe wird über eine gekühlte Spray-Chamber in ein feines Aerosol überführt, das anschließend im heißen Argonplasma ionisiert wird. Die entstehenden Ionen werden dann in einem Massenspektrometer nach ihrem Masse-Ladungs-Verhältnis getrennt und vom Detektor innerhalb einer vorgegebenen Integrationszeit bestimmt. Auf diese Weise können sehr niedrige Konzentrationen der gesuchten Elemente genau bestimmt werden. Die für die Untersuchung von Bodenmaterial und Baggergut relevanten Elemente sind Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Thallium und Zink im Feststoff und zusätzlich im Eluat Antimon, Molybdän und Vanadium.

Überprüfung der Langzeitstabilität durch CCV

Durch fortlaufende regelmäßige Messung von Kalibrierstandards während der Analyse, der sogenannten „continuous calibration verification“ (CCV) konnte die Methode kontinuierlich überprüft werden. Die Ergebnisse dieser Langzeitbetrachtung sind nachfolgend in Abbildung 2 und 3 für die Kalibrierstandards Cal 2 und Cal 4 dargestellt. Die eingezeichneten Grenzen (rote Linien) liegen gemäß DIN EN 16171:2017 bei 70 % bzw. 130 % und wurden in keinem Fall überschritten.

Überprüfung: Wiederfindungsrate CRM

Um die Messergebnisse und damit auch die Methode extern überprüfen zu können, wurde ein Königswasseraufschluss des zertifizierten Referenzmaterials (Certified Reference Material, CRM) BAM-U115 durchgeführt. Wie auch schon beim CCV erfolgten stündlich Messungen, die miteinander verglichen wurden. Die Ergebnisse lagen alle innerhalb des Toleranzbereiches.

Neben der Langzeitstabilität und der Wiederfindungsrate ist natürlich auch das Einhalten der Nachweis- und Bestimmungsgrenzen zur Erfüllung der EBV notwendig. Wie bereits am Anfang erwähnt, stellt die neue Ersatzbaustoffverordnung mit sehr niedrigen Grenzwerten vor allem für Cadmium und Thallium Anforderungen an die Messtechnik, welche mit der ICP-OES nicht mehr umsetzbar sind.

Nachweisgrenzen

Gemäß den Vorgaben der Ersatzbaustoffverordnung darf die Nachweisgrenze der Methode maximal ein Drittel des angegebenen Grenzwerts des entsprechenden Elements betragen, sodass die jeweiligen Grenzwerte der Ersatzbaustoffverordnung als Bestimmungsgrenze herangezogen wurden. Das Ergebnis: Mit der von Shimadzu entwickelten ICP-MS-Methode lassen sich die geforderten Grenzwerte – Nachweisgrenze (Limit of Detection, LoD) und Quantifizierungsgrenze (Limit of Quantification, LoQ) – sicher einhalten bei gleichzeitiger maximaler Robustheit und Langzeitstabilität (Tabelle 1).

Die Einführung der neuen Ersatzbaustoffverordnung für Bodenmaterial und Baggergut in Deutschland am 1. August 2023 stellt neue Anforderungen an Prüflabore. Eine möglicherweise notwendige Anschaffung eines neuen Analysegeräts kann zwar nicht vermieden werden, jedoch haben Labore durch die Entwicklungsarbeit von Shimadzu eine Methode an der Hand, mithilfe der ICP-MS die vorgegebenen Grenzwerte zuverlässig einzuhalten. Somit können sie weiterhin ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen: die Sicherheit von Ersatzbaustoffen zu gewährleisten.

Abbildung 2: CCV von Cal 2
Abbildung 3: CCV von Cal 4

ILoD [µg/L]

ILoQ [µg/L]

MLoQ [µg/kg]

MLoQ [mg/kg]

EBV-LoD [mg/kg]

EBV-LoQ [mg/kg]

As

0,04

0,15

0,04

0,15

3,33

10,00

Cd

0,02

0,06

0,02

0,06

0,13

0,40

Cr

0,11

0,38

0,11

0,38

10,00

30,00

Cu

0,97

3,25

0,97

3,25

6,67

20,00

Hg

0,00

0,00

0,00

0,00

0,07

0,20

Ni

0,23

0,75

0,08

0,27

5,00

15,00

Pb

0,08

0,27

0,01

0,02

1,33

40,00

Tl

0,01

0,02

0,00

0,01

0,17

0,50

Zn

0,04

0,13

0,10

0,33

20,00

60,00

Tabelle 1: Nachweis- und Bestimmungsgrenzen (ILoD & ILoQ: Instrument-limit-of-detection/quantification; EBV-LoD: 1/3 der EBV-LoQ (Grenzwert aus der EBV) für die Messung der Königswasseraufschlüsse

[1] https://www.bmuv.de/gesetz/verordnung-zur-aenderung-der-ersatzbaustoffverordnung-und-der-brennstoffwechsel-gasmangellage-verordnung