Wenn die Gegenwart die Zukunft einholt

Fast ein Jahrzehnt hat es gedauert, bis es eine Nachfrage nach einem besseren Test für die Alterung von Lithium-Ionen-Akkus gab

Waldemar Weber
Shimadzu Europa GmbH

Gute Ideen stoßen nicht immer auf offene Ohren. Wer kennt das nicht? Wir alle sind viel beschäftigt, und selbst die genialste Antwort kann an uns vorbeigehen, wenn die Frage, die sie beantwortet, nicht die ist, die wir uns gerade stellen. In manchen Berufszweigen geht es genau darum: Man soll nach Antworten auf Fragen suchen, die sonst niemand stellt. Das gilt insbesondere für Wissenschaftler wie Waldemar Weber.

Weber ist Experte für Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) bei Shimadzu Europa. Er forscht unermüdlich nach neuen Laboranwendungen für diese leistungsstarke und vielseitige Analysetechnik. Besonders interessiert ihn Batterietechnologie. So kam er eines Tages auf die Idee, wiederaufladbare Lithium-Ionen-Akkus mithilfe der GC-MS auf Alterung – also auf ihre Lebensdauer – zu testen.

Mit wissenschaftlicher Hartnäckigkeit tüftelte er an seiner Idee und testete sie zwei Jahre lang in seinem Labor auf Herz und Nieren, bevor er seine Ergebnisse schließlich zu Papier brachte und veröffentlichte. Der Ansatz erwies sich als erstaunlich erfolgreich – die Industrie würde sich nun sicherlich darauf stürzen und ihn zur Verbesserung ihrer Produkte und ihrer Geschäftsergebnisse nutzen. Es gab nur ein Problem: Es war erst 2015. Die Nachfrage blieb aus.

Waldemar WeberShimadzu Europa GmbH

Was ein Jahrzehnt doch für einen Unterschied macht

Zeitsprung ins Jahr 2024: Seit 2015 ist der Markt für Batterien – und insbesondere für wiederaufladbare Lithium-Ionen-Akkus – rasant gewachsen. Daraus ergab sich ein selbstverstärkender Zyklus aus Innovation, niedrigeren Preisen, größerer Kapazität, höherer Sicherheit und besserer Leistung. Die treibende Kraft dahinter? Das gestiegene Bewusstsein für Nachhaltigkeit.

Deutlich wird dies am weltweiten Boom von Elektrofahrzeugen: Sie vermeiden nicht nur die schädlichen Abgase von Verbrennungsmotoren, sondern ermöglichen auch die Nutzung nachhaltig erzeugter Energie. Herzstück jedes Elektrofahrzeugs – wie auch von Laptops, Smartphones, E-Bikes, Digitalkameras und tragbaren Bohrmaschinen – ist die wiederaufladbare Batterie.

Doch wie so vieles halten auch Batterien nicht ewig – selbst die wiederaufladbaren. Mit der Zeit verlieren sie an Kapazität, und Faktoren wie Temperatur, Nutzung und sogar das Design der Batterie beeinflussen, wie schnell sie altern. Stark gealterte Batterien haben beispielsweise eine geringere Reichweite von Elektrofahrzeugen zwischen den Ladevorgängen zur Folge. Gleichzeitig führen steigende Innenwiderstände im Laufe der Zeit zu geringerer Leistung: Die Beschleunigung der Elektrofahrzeuge wird langsamer.

Stärkung des schwächsten Glieds

Trotz ihrer zentralen Rolle gelten Batterien oft als Achillesferse moderner Technologie. Die Wissenschaft versucht, bessere Batterien zu entwickeln, die langsamer altern und länger halten. Präzise Testmethoden sind daher für jede Branche unerlässlich, die Batterien in ihren Produkten oder Prozessen einsetzt. Eine der zentralen Fragen lautet: Wie lange hält eine Batterie?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Zwar gibt es einfache, schnelle Testmodelle, doch diese sind meist nur dafür geeignet, minderwertige Batterien zu identifizieren. Die komplexeren Modelle hingegen sind oft teuer und zeitaufwendig und basieren häufig auf Versuch und Irrtum.

 
 
 

Batterien sind komplexer, als man denkt

Mit besseren Analyseverfahren für die Batteriealterung könnte die Lebensdauer von Akkus besser vorhergesagt werden. Außerdem könnten Methoden zur effizienteren und effektiveren Nutzung einzelner Batterietypen über einen längeren Zeitraum entwickelt werden. Es steht daher viel auf dem Spiel! In Anbetracht der Vielschichtigkeit der Herausforderung und der Dringlichkeit einer Lösung sind Forscher intensiv auf der Suche nach Antworten. Batterien sind kompliziert. Aber für Wissenschaftler wie Waldemar Weber liegt gerade darin der Reiz!

Weber konzentrierte sich zunächst auf die Elektrolytlösung, die ein wesentlicher Bestandteil eines herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus ist – der meistverwendeten wiederaufladbaren Batterietechnologie. Sie besteht aus Lithiumsalzen (z. B. LiPF6) und organischen Carbonaten. Der Zersetzungsprozess ist ein kontinuierlicher chemischer Vorgang, wobei die Bildung phosphorbasierter und anderer organischer Produkte bereits in der Produktionsphase des Elektrolyts beginnt. Die Bildung solcher Moleküle hat keinen negativen Einfluss auf die Qualität des Elektrolyts oder der Batterie, solange die Menge gering genug ist. Vielmehr wirken sich einige Zersetzungsprodukte positiv auf die Bildung der sogenannten SEI-Oberfläche (Solid Electrolyte Interface) auf den Anoden von Lithium-Ionen-Batterien aus, die für die Funktionalität dieser von entscheidender Bedeutung ist. Daher ist die zunehmende Menge einiger Zersetzungsprodukte ein klarer Indikator für die fortschreitende Alterung der Batterie bzw. des Elektrolyts.

Abbildung 1: Shimadzu GCMS-QP2020 NX mit Flüssigsampler AOC-30i

Einfachere Analyse der elektrochemischen Alterung mittels GC-MS?

Weber wollte wissen, ob sich die GC-MS für die Untersuchung der Alterung von Lithium-Ionen-Batterien mithilfe von phosphatbasierten Abbauprodukten – insbesondere Trialkylphosphaten – eignet, die üblicherweise als Reaktionsprodukte von Carbonaten und LiPF6-Salz entstehen. Er ging davon aus, dass diese Verbindungen aufgrund ihrer langsamen Bildung und der begrenzten Abhängigkeit von nur wenigen externen Parametern als Marker für die elektrochemische Alterung von Batterien verwendet werden könnten. So wäre es möglich, die elektrochemische Alterung (Aufladung/Entladung) durch einen einfachen Vergleich des Analytgehalts vor und nach der Alterung zu untersuchen.

Die Zersetzung von LiPF6-Salzen bei der Reaktion mit Spuren von Wasser und dem entsprechenden Elektrolytlösungsmittel kann durch elektrochemische und chemische Prozesse beeinflusst werden. Die Bildung trialkylierter Spezies kann durch eine vereinfachte Reaktionsfolge beschrieben werden, wie in Abbildung 2 dargestellt. Die in Schritt 1 und Schritt 2 dargestellten nicht, mono- und dialkylierten Phosphate sind in der Regel selbst in den Elektrolyten neuer Lithium-Ionen-Batterien nachweisbar. Diese Reaktionen laufen sehr schnell ab. Der beobachtete Gehalt ist daher im Vergleich zu den in Schritt 3 dargestellten trialkylierten Spezies deutlich höher. Die trialkylierten Spezies hingegen werden nur sehr langsam durch die Reaktion von organischen Carbonaten mit leitfähigen Salzen gebildet und können daher sehr nützliche Indikatoren für die Alterung von Batterien darstellen.

Abbildung 2: Vereinfachter Mechanismus der Bildung von Trialkylphosphaten

Anhand von Proben des MEET Batterieforschungszentrums der Universität Münster wurden Elektrolyte aus handelsüblichen 18650 Lithium-Ionen-Batterien untersucht. Eine der Batterien war neu, wohingegen die andere bei 40 °C aufgeladen/entladen wurde. Der Zyklus wurde bei einer verbleibenden Entladekapazität von 70 % (etwa 1.500 Zyklen) gestoppt. Danach wurden beide Batterien geöffnet, und die Jelly Roll (auch bekannt als Swiss Roll – das Konstruktionsprinzip der meisten zylindrischen wiederaufladbaren Batterien) wurde mithilfe der überkritischen Flüssigkeitsextraktion (Supercritical Fluid Extraction, SFE) und Acetonitril als Zusatzlösungsmittel extrahiert. Vor der Injektion von 1 µl wurde das Extrakt mit Dichlormethan (DCM) 1:10 gelöst.

Zur Analyse der Phosphatspezies verwendete Weber den Scan-Modus eines Nexis GC-2030 mit einem GCMS-QP2020 NX (Gaschromatograph mit Massenspektrometriedetektor). Auf diese Weise konnte er die verschiedenen Analyten anhand ihrer Spektren identifizieren. Da die meisten Verbindungen nicht in den gängigen Bibliotheken verfügbar waren, verwendete er die Spektren aus verfügbaren wissenschaftlichen Publikationen als Referenz.[1]

Für die entsprechenden Retentionszeiten verwendete er m/z-Spuren. Die ermittelten Bereiche der verschiedenen Verbindungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die fluorierten Spezies waren sowohl in der neuen als auch in der gealterten Batterie nachweisbar. Der Gehalt an Ethylmethylfluorphosphat (EMFP) und Diethylfluorphosphat (DEFP) in der gealterten Batterie ist deutlich höher als in der neuen, wohingegen der Gehalt an Dimethylfluorphosphat (DMFP) etwas niedriger ist. Dies liegt an der sehr schnellen Bildung fluorierter Verbindungen und ihrer Abhängigkeit von vielen externen Faktoren (Probenvorbereitung, Lagerzeit, Feuchtigkeit).

Abbildung 3: Massenspektren der nachgewiesenen Fluorphosphate in gealterten Lithium-Ionen-Batterien: DMFP (links), EMFP (Mitte), DEFP (rechts)

Wie bereits erwähnt, eignen sich die fluorierten Verbindungen besser zur Analyse der Qualität des hergestellten Elektrolyts, beispielsweise zur Untersuchung der Zerstörung durch Lagerbedingungen wie Feuchtigkeit. Im Gegensatz zu den fluorierten Verbindungen werden die trialkylierten Phosphate deutlich langsamer gebildet und sind in einem frischen Elektrolyten normalerweise nicht nachweisbar, sodass ihre Bildung als Indikator für die Batteriealterung herangezogen werden kann.

Die daraus resultierenden GC-MS-Chromatogramme und die entsprechenden MS-Spektren sind in Abbildung 3 dargestellt. Wie in Abbildung 4 gezeigt, waren Trimethylphosphat (TMP), Ethyldimethylphosphat (EDMP) und Diethylmethylphosphat (DEMP) nach 1.500 Ladezyklen im Elektrolyt nachweisbar. Triethylphosphat (TEP) wurde bei diesem Experiment nicht beobachtet, könnte jedoch in einer Probe mit fortgeschrittener Alterung nachweisbar sein.

Eine Idee, für die die Zeit reif ist

2015 gelang es Weber nachzuweisen, dass die Gaschromatographie-Massenspektrometrie unter Verwendung von Scan-Messungen von phosphatbasierten Abbauprodukten eine einfache und effektive neue Methode für die Qualitätskontrolle der Batteriealterung bietet. Unternehmen und Forschungseinrichtungen können diese Methode für ihre eigenen Zwecke nutzen. Weber empfiehlt außerdem die Verwendung eines Scan-/SIM-Modus, da dieser die Möglichkeit bietet, die Hauptverbindungen (Carbonate, Zusatzstoffe) und die Abbauprodukte in einer Messung zu erkennen. Außerdem rät er dazu, eine dedizierte SIM-Methode für die Phosphate mit der höchsten Selektivität und Empfindlichkeit zu verwenden.

Abbildung 4: GC-MS-Chromatogramm von TMP, EDMP und DEMP in einer neuen Lithium-Ionen-Batterie (links) und nach 1.500 Zyklen (rechts)

Bessere Batterietests – gut für Unternehmen, Verbraucher und Umwelt

An den Grenzen der Wissenschaft ist Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg. Bessere Testmöglichkeiten zur Feststellung, wie und wie stark eine Batterie altert, sind von unschätzbarem Wert. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich die Batterietechnologie weiterentwickelt und ihre Vorteile weiter verbreitet werden. Geduld zahlt sich aus, egal in welchem Bereich – und eine gute Idee ist nie umsonst. Bessere Methoden, Dinge zu tun, setzen sich schließlich gegen herkömmliche durch. Auch wenn sie manchmal erst eine Weile reifen müssen.

Peakbereich

Verbindung

Chemische
Struktur

m/z
für SIM

Ret.
Zeit
[min]

Neue
Batterie

Nach 1500
Zyklen bei
45 °C

Dimethyl- fluorophosphat (DMFP)

97, 98, 128

3,83

15304

11406

Ethyl methyl- fluorophosphat (EMPF)

97, 115, 127, 141

5,64

7015

14619

Diethyl- fluorophosphat (DEPF)

101, 113, 129

8,05

2136

3426

Trimethylphosphat (TMP)

140, 110, 109, 95

9,12

N.D

3952

Ethyldimethyl- phosphat (EDMP)

153, 139, 127, 110, 109, 96, 95

10,11

N.D

1028

Diethylmethyl- phosphat (DEMP)

141, 113

10,77

N.D

588

Triethylphosphat (TEP)

155, 127, 109, 99

N.D

N.D

N.D

Tabelle 1: Unterschiede zwischen den Peakflächen von sieben Verbindungen in einer neuen und einer gealterten Lithium-Ionen-Batterie

Von Waldemar Weber verwendetes Equipment
Die empfohlene Hardware- und Softwarekonfiguration für die Analyse ist unten aufgeführt.
Haupteinheit: Nexis GC-2030 mit GCMS-QP2020 NX: Gaschromatograph mit Massenspektrometriedetektor
Zubehör: AOC-30i Autosampler
Hauptverbrauchsmaterialien: SH-I-5MS, 30m × 0,25mm× 0,25μm; Teile-Nr. 221-75940-30
Software: GCMSsolution und LabSolutions Insight

Abbildung 1 zeigt ein Bild des verwendeten Geräts, einschließlich der Haupteinheit und des Zubehörs.

[1] Weber W., Kraft V., Grützke M., Wagner R., Winter M., Nowak S. (2015). Identification of alkylated phosphates by gas chromatography–mass spectrometric investigations with different ionization principles of a thermally aged commercial lithium-ion battery electrolyte. Journal of Power Sources. 1394: 128–136