Bäume rufen Vögel und Insekten zu Hilfe
Flüchtige organische Verbindungen helfen entscheidend gegen Pflanzenfresser
Dr. Alexander Weinhold, Molekulare Interaktionsökologie – Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Flüchtige organische Verbindungen (VOCs) sind wichtige Vermittler in der Interaktion von Pflanzen mit ihrer Umwelt, indem sie beispielsweise Bestäuber und Parasiten anlocken und Pflanzenfresser abwehren. Um diese Interaktionen im Kronendach eines Auwaldes zu untersuchen, haben wir pflanzliche Duftstoffe mit speziellen Silikonschläuchen eingefangen und mittels Thermodesorptions-GC-MS analysiert. Wir konnten zeigen, dass sich die flüchtigen Stoffe durch Pflanzenfraß verändern und diese Veränderungen von den natürlichen Fressfeinden der Pflanzenfresser erkannt werden. Dadurch ließ sich nachweisen, dass die flüchtigen Stoffe eine Rolle bei der indirekten Abwehr von Pflanzenfressern spielen.
Pflanzen stehen auf vielfältige Weise mit ihrer Umwelt in Verbindung und passen ihr Wachstum an abiotische Faktoren wie Licht, Wetter und Wasser an. Blüten wenden sich der Sonne zu, Bäume wachsen in Windrichtung und Wurzeln graben sich tief in den Boden, um Wasser aufzunehmen und Stabilität zu erlangen. Darüber hinaus interagieren Pflanzen auch mit ihrer biotischen Umwelt, indem sie durch die Farbe und Form ihrer Blüten Bestäuber anziehen, die sie für die Fortpflanzung und Vermehrung benötigen. Dornen und Nadeln fungieren als mechanische Barrieren gegen Pflanzenfresser, und durch die Bildung schädlicher oder gar toxischer Metaboliten (z. B. Nikotin oder Senföle) wehren sich Pflanzen sogar aktiv gegen Pflanzenfresser. Eine Klasse oder Art dieser Metaboliten sind pflanzliche flüchtige organische Verbindungen (VOCs).
So schützen sich Bäume mit eigenen Duftstoffen
Flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds, kurz VOCs) spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Pflanzenfressern. Sie dienen als Repellentien und halten Insekten von den wertvollen Blättern fern. Leider reicht diese Verteidigungslinie oft nicht aus – doch wenn sie fällt, können VOCs auch der indirekten Abwehr dienen. Sobald ein Pflanzenfresser zu fressen beginnt, setzen die betroffenen Pflanzen verschiedene flüchtige Stoffe frei oder produzieren diese mittels De-novo-Synthese (z. B. enzymatisch aus Alpha-Linolensäure bei C6-VOCs oder im Fall von Terpenen über den Mevalonatweg), um quasi die „Kavallerie“ zu rufen: natürliche Fressfeinde der „Schädlinge“. Diese werden von den Duftstoffen der Pflanze und des Insekts angelockt. Dieses Phänomen wird allgemein als „Hilfeschrei“ der Pflanzen bezeichnet. Natürliche Fressfeinde sind beispielsweise Parasitoiden (d. h. räuberische Insekten, die Eier in die Raupe legen; die im Körper der Raupe schlüpfenden Larven ernähren sich dann von ihrem Wirt) und andere Insekten, aber auch Vögel, die diesem Hilferuf folgen und sich direkt von den angreifenden Insekten ernähren. In Labor- und Gewächshausexperimenten wurde der Hilferuf von Pflanzen bereits gut dokumentiert; an ausgewachsenen Bäumen war er jedoch bisher noch nicht nachgewiesen worden.
Ein Feldversuch im Wald
Nun führten Forscher des Deutschen Zentrums für Integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig (iDiv) erstmals entsprechende Tests im natürlichen Lebensraum durch. Sie wählten Eichen, die bekannt dafür sind, eine breite Palette chemischer Abwehrstoffe aus phenolischen Verbindungen und Tanninen, aber auch aus flüchtigen Stoffen zu produzieren. Eichen reagieren ebenfalls auf Insektenbefall, indem sie die Produktion dieser Abwehrstoffe erhöhen (Diese Eigenschaften machen diese Baumart zu einem geeigneten Objekt für experimentelle Manipulation.)
Das Experiment fand in 40 Metern Höhe auf dem iDiv Auwaldkran im Kronendach des Leipziger Auwalds statt. Die Forscher besprühten Zweige mit dem Pflanzenhormon Methyljasmonat, um die Abwehrreaktion an verschiedenen Bäumen auszulösen, und verglichen diese mit unbehandelten Zweigen von Kontrollbäumen. Die von den Ästen abgegebenen flüchtigen Stoffe bestanden hauptsächlich aus Monoterpenen, Sesquiterpenen, phenolischen Verbindungen und kurzkettigen Fettsäureestern. Sie wurden in Ofenbeuteln aus Kunststoff gesammelt und mit kurzen Silikonschläuchen eingefangen. Die flüchtigen Stoffe wurden über einen Zeitraum von 24 Stunden beprobt und im Labor mittels Thermodesorptions-Gaschromatographie-Massenspektrometrie (TD-GC-MS) analysiert. Zusätzlich wurden behandelte und unbehandelte Zweige mit Raupenattrappen beklebt und diese regelmäßig auf Biss- und Pickspuren untersucht, um Fressfeinde nachzuweisen. Auch die Anzahl der echten Raupen wurde regelmäßig erfasst.
Bei behandelten Zweigen wurde eine gesteigerte Produktion flüchtiger Stoffe festgestellt, die wiederum mehr Fressfeinde anlockten. Gleichzeitig wurde auf den behandelten Blättern eine geringere Anzahl von Raupen dokumentiert. Die erhöhte Produktion flüchtiger Stoffe infolge von Fraß zog mehr Fressfeinde an, die die Zahl der vorhandenen Raupen reduzierten. Auf den Hilferuf der Eiche folgte also eine unmittelbare Antwort.
Natürliche Strategien zur Schädlingsbekämpfung
Das Experiment ist ein Beispiel für gelungene integrative Biodiversitätsforschung mithilfe verschiedener Plattformen und Methoden, um die Wechselwirkung von Pflanzen und ihrer Umwelt zu erforschen. Das Labor der Forschungsgruppe Molekulare Interaktionsökologie am iDiv wendet verschiedene analytische Methoden an, um biotische Interaktionen und die sie vermittelnden Chemikalien zu untersuchen.
Die HPLC mit UV-Detektor kommt für die routinemäßige Analyse von Senfölglykosiden in Kohl zum Einsatz; die LC-MS wird für die analytische Erfassung sekundärer Metaboliten in verschiedenen Pflanzenarten verwendet. Integraler Bestandteil der eingesetzten Instrumente ist das Shimadzu GCMS-QP2020 NX in Kombination mit einem TD-30R, der sowohl zur Untersuchung von Bäumen als auch von anderen landwirtschaftlich relevanten Pflanzen eingesetzt wird. Tomatenpflanzen setzen bei Fraß ebenfalls flüchtige Stoffe frei, um räuberische Wanzen anzulocken, die die „angreifenden“ Raupen fressen und so die Pflanze schützen.
Die Identifizierung der am Prozess beteiligten flüchtigen Stoffe kann dazu beitragen, die Anwendung natürlicher Strategien zur Schädlingsbekämpfung in Gewächshäusern zu verbessern und den Einsatz von Insektiziden zu verringern. Ein weiteres Beispiel ist die Erfassung flüchtiger Stoffe von Winterweizen nach Blattlausbefall.
Ziel des Projekts ist die Identifizierung von VOCs, die zur Verbesserung des Pflanzenschutzes im Gewächshaus oder auf dem Feld genutzt werden könnten. Der Shimadzu TD-30R mit ausreichend großem Sampler eignet sich sowohl für einen hohen Durchsatz als auch für eine große Probenanzahl. Durch den einfachen Testaufbau in Kombination mit den sehr preisgünstigen PDMS-Schläuchen konnten in einem einzigen Experiment 50 bis 250 Proben genommen werden. Darüber hinaus konnten wertvolle Feldproben mithilfe der Resampling-Option beispielsweise unter verschiedenen chromatographischen Bedingungen erneut analysiert werden. Das Twin-Line-System ermöglicht die Analyse flüchtiger Stoffe mittels Thermodesorption an einem Tag; am Folgetag können dann silylierte Proben mittels Flüssiginjektion ausgewertet werden. Mit Silylation und Flüssiginjektion werden Zucker und Aminosäuren in Käseproben unterschiedlicher Reifegrade analysiert. Diese werden mit den Daten zur Zusammensetzung der bakteriellen Gemeinschaften kombiniert. Zusammen dienen sie als Modellsystem, um den Wettbewerb um begrenzte Ressourcen zu untersuchen – in diesem Fall die Bakterien im Käse. Aus den äußerst vielfältigen Forschungsfragen am iDiv ergibt sich ein sehr fruchtbares und vielseitiges Instrument für die Biodiversitätsforschung.