Der Hitze auf der Spur

Ein neuartiges Experiment zur Messung der Wärmestrahlung

Dr. Benjamin Thomas, Shimadzu Europa GmbH

Die Wärmeübertragung per Infrarotstrahlung begegnet uns oft im Alltag. Infrarotheizungen spenden Wärme im Wohnzimmer, Terrarium oder in der Auslage in der Kantine. Auch in industriellen Prozessen spielt diese Art der Wärmeübertragung zwischen Partikeln eine wichtige Rolle, beispielsweise in der Eisenverarbeitung oder beim Kalkbrennen, wo jeweils Schüttgut in riesigen Öfen erhitzt wird.

Ein Forschungsgebiet des Lehrstuhls für Energieanlagen und Energieprozesstechnik der Ruhr-Universität Bochum um Martin Schiemann ist die Untersuchung dieser Wärmeübertragung zwischen Partikeln in Schüttungen. Als Modellsystem dient ein Arrangement von Metall- oder Mineralstäben. Für die Emissionsmessung wurde ein bislang einzigartiges Experiment rund um ein modifiziertes IRTracer-100 entwickelt.

Wärmeübertragung von einem wärmeren auf einen kälteren Körper kann grundsätzlich auf drei verschiedene Weisen erfolgen, wie in Abbildung 1 am Beispiel eines Kochtopfs mit Wasser dargestellt:

(A) Über Konvektion mit Stofftransport in einem mobilen Medium
(B) Über Wärmeleitung durch ein Medium ohne Stofftransport
(C) Über Wärmestrahlung auch im Vakuum möglich

Bei der Konvektion (A) gehen mit Temperaturunterschieden auch Dichteunterschiede einher, durch die sich Moleküle von Hochdruckzonen (wärmer) in Tiefdruckzonen (kälter) bewegen. Heißes Wasser steigt beispielsweise im Topf nach oben. Durch die Durchmischung gleichen sich die Temperaturen in beiden Schichten an.

Bei der Wärmeleitung (B) erfolgt die Übertragung von Wärme je nach Beschaffenheit des Mediums durch Schwingungen (nicht metallische Festkörper), Stöße (Fluide) oder mobile Elektronen (Metalle). Das „wärmere“ Molekül gibt dabei Energie an das „kältere“ Molekül ab.

In diesem Artikel soll die Wärmestrahlung (C) näher betrachtet werden, bei der ein heißer Körper breitbandig Strahlung im infraroten Spektralbereich emittiert. Wenn ein Material diese Infrarotstrahlung absorbiert, werden dort wieder Schwingungen und Rotationen angeregt und das absorbierende Material so erwärmt.

Die Wärmestrahlung ist die einzige Art der Wärmeübertragung, die kein Medium erfordert. Allerdings wird die Wärme nur dann übertragen, wenn das Material diese Infrarotstrahlung absorbiert und nicht reflektiert. Daher wird zur Isolation z. B. bei Thermoskannen eine evakuierte Kammer mit verspiegelten Oberflächen eingesetzt, um alle Arten der Wärmeübertragung zu unterbinden. Wärmelampen hingegen erzeugen gezielt Infrarotstrahlung, um Wärme zu übertragen.

Dr. Benjamin ThomasShimadzu Europa GmbH
Abbildung 1: Arten der Wärmeübertragung in einem Kochtopf mit heißem Waser: (A) Heißes Wasser steigt in Schichten mit kälterem Wasser auf. (B) Die in Schwingungen und Rotationen gespeicherte Energie wird durch Stöße auf andere Wassermoleküle übertragen. (C) Die heiße Oberfläche des Topfs strahlt Wärmestrahlung in die Umgebung ab.

Wärmeübertragung in Schüttungen

In Schüttungen erfolgt Wärmeübertragung durch Partikelkontakte, durch das in den Zwischenräumen befindliche Gas und über freie Sichtlinien hinweg über Strahlung. Die Effektivität der Wärmeübertragung hängt dabei von einer Vielzahl von Parametern ab, wie der Leitfähigkeit und Oberflächenbeschaffenheit der Partikel im Fall von Wärmeleitung und der Emissions- und Absorptions-Charakteristik im Fall von Wärmestrahlung. Ein im Infrarotbereich gut reflektierender Körper erwärmt sich langsamer als ein Körper, der die meiste Strahlung absorbiert.

Ein zweidimensionales Modell für sich nicht berührende Partikel einer Schüttung kann wie in Abbildung 2 gezeigt durch ein Arrangement von Stäben realisiert werden, von denen der mittlere erhitzt wird und dementsprechend Infrarotstrahlung in seine unmittelbare Umgebung abgibt.

Abbildung 2: Modell zur Untersuchung der Wärmeübertragung in Schüttungen (links) und Blick auf die indirekt erwärmten Stäbe aus rostfreiem Stahl (Mitte) und Magnesiumoxid (rechts) nach 60 Minuten. Der rot markierte Stab ist 600 °C heiß. Modifiziert aus [1] und [2].
Abbildung 3: Experiment zur Validierung des theoretischen Modells: (A) Wärmebildkamera, (B) Metallstäbe aus Abbildung 2, (C) FTIR Spektrometer. Modifiziert aus [2].

Ein beheizbarer Stab (MP0) ist von 12 nicht temperierten Stäben aus dem gleichen Material umgeben. Das Ziel ist es, den beheizbaren Stab auf 600 °C zu erwärmen und über Temperatur- und FTIR-Messungen zu ermitteln, wie schnell und wie stark die umliegenden Stäbe durch die abgestrahlte Wärme indirekt erhitzt werden. Dieser Vorgang wurde mit der Diskrete-Ordinaten-Methode (englisch discrete ordinates method, DOM) und Monte-Carlo RayTracing (MCRT) simuliert.[1]

Versuchsaufbau

Die bildgebende Messung von Wärmestrahlung ist mit Infrarotkameras möglich, die Untersuchung des Emissionsspektrums mittels FTIR-Spektroskopie. Zur Überprüfung der durchgeführten Simulationen zur Wärmeübertragung mit realen Daten wurde von Tyslik et al. der in Abbildung 3 gezeigte, bislang einzigartige Versuchsaufbau konzipiert, der hier näher vorgestellt werden soll.

Das Herzstück ist das oben beschriebene Arrangement von Stäben (B). Die Temperatur der indirekt erwärmten Stäbe wird mit einer Wärmebildkamera (A) untersucht. Die abgegebene Infrarotstrahlung wird in ein modifiziertes Shimadzu IRTracer-100 eingekoppelt und ersetzt so die ab Werk verbaute Lichtquelle. Die Strahlung durchläuft das Michelson-Interferometer und den leeren Probenraum und wird mit einem MCT-Detektor gemessen.

Um das Sichtfeld für diese Messung festzulegen und das emittierte Licht auf die Position der ursprünglichen Lichtquelle zu fokussieren, wurden zwei Parabolspiegel eingesetzt, wie in Abbildung 4 gezeigt.

In Abbildung 4 ist der Lampenraum des Spektrometers durch die rote Umrandung angedeutet. Ein Fenster aus Kaliumbromid (W1) verschließt das Spektrometer nach außen zum Schutz gegen Luftfeuchtigkeit. Ein Parabolspiegel (M1) sammelt das von einem der Stäbe aus Abbildung 2 emittierte Licht. Planspiegel M2, M3 und M5 führen den Lichtstrahl zum Michelson-Interferometer. Ein weiterer Parabolspiegel (M4) fokussiert dazu auf die Position der ursprünglich verbauten Lichtquelle (G1) und bildet den beobachteten Lichtfleck auf den ab Werk verbauten Einkoppelspiegel (CM1) ab. Durch die Positionierung von M1 und M2 wird der jeweilige Messpunkt, also der jeweils beobachtete Metallstab, festgelegt.

Abbildung 4: Spiegelsystem zur Einkopplung der emittierten Infrarotstrahlung

Ergebnisse

Die Messergebnisse sind im Detail in den Literaturstellen [1] und [2] beschrieben. Für die experimentelle Untersuchung wurden als Stabmaterialien Edelstahl und Magnesiumoxid verwendet. Eine Reihe von Testparametern, wie der Emissionsgrad und die benötigte Zeit zum Erreichen der Gleichgewichtstemperatur, wurden bestimmt und im Detail diskutiert. Der zentrale, direkt erhitzte Stab strahlt Wärme in Form von Infrarotstrahlung an die umgebenden Stäbe ab. Diese werden so indirekt erwärmt und geben dann ihrerseits Wärme in Form von Infrarotstrahlung ab, reflektieren aber auch einen Teil der Infrarotstrahlung.

Bei beiden Materialien und einer Zieltemperatur des erhitzten Stabs von 600 °C stabilisiert sich die Temperatur aller umgebenden Stäbe in diesem Experiment nach ca. 50 Minuten. Wie erwartet, erwärmen sich die näher am Zentrum positionierten Stäbe schneller und stärker. Bei rostfreiem Stahl (Abbildung 2 Mitte) liegt die Endtemperatur der inneren Stäbe MP2 und MP4 bei ca. 67 °C und die der äußeren Stäbe MP1 und MP5 bei ca. 32 °C. Stab MP3 im mittleren Abstand erwärmt sich auf 45 °C.

Wenn der zentrale Stab weniger stark erhitzt wird, sinken auch die Emissionsintensität und die Endtemperatur der umliegenden Stäbe. Als Beispiel sind die Endtemperaturen von Stab MP2 aus rostfreiem Stahl bei verschiedenen Heiztemperaturen in Tabelle 1 und die entsprechenden Emissionsspektren in Abbildung 5 gezeigt.

Abbildung 5: Emissionsspektren von Stab MP2 aus rostfreiem Stahl bei verschiedenen Heiztemperaturen.
Abbildung 6: Emissionsspektren der Stäbe MP2 und MP3 aus rostfreiem Stahl und Magnesiumoxid im Vergleich.

Nr.

MP0 [°C]

MP2 [°C]

T1

300

35

T2

400

46

T3

500

70

T4

600

73

Tabelle 1: Temperaturen des beheizten Stabs MP0 und MP2 nach 60 Minuten.

Die Emissionsspektren von MP2 und MP3 nach 60 Minuten bei einer Zieltemperatur von 600 °C sind für beide getesteten Materialien in Abbildung 6 im Vergleich gezeigt. MP2 hat hier eine Temperatur von 68 °C (Stahl) bzw. 56 °C (MgO). MP3 hat hier eine Temperatur von 45 °C (Stahl) bzw. 40 °C (MgO).

Beim wärmeren Stab MP2 ist die Emissionsintensität wie erwartet deutlich größer als bei dem kälteren Stab MP3. Von 1.000 bis 4.500 cm–1 ist sie außerdem deutlich größer für Edelstahl als für Magnesiumoxid. Das Emissionsspektrum des Edelstahlstabs zeigt darüber hinaus eine Bande von 1.600 bis 2.500 cm–1, die in dieser Form weder bei den Magnesiumoxidstäben noch bei MP3 beobachtet wurde.

Die Messergebnisse wurden allerdings durch Reflexion an den Staboberflächen beeinflusst, insbesondere beim weit innen positionierten Stab MP2.

Um die Einflüsse der Reflexion zu untersuchen, wurde das Emissionsspektrum des heizbaren Stabs bei 67 °C in einem Aufbau ohne die umgebenden Stäbe gemessen. In diesem Experiment ist die in Abbildung 6 beobachtete Bande nicht sichtbar, wie in Abbildung 7 gezeigt. Dies zeigt den großen Anteil, den an der Oberfläche reflektierte Wärmestrahlung am gemessenen Emissionsspektrum hat. Die Ergebnisse in [1] zeigen, dass MCRT die Messergebnisse exakter in Simulationen abbilden kann. Die Autoren gehen aber davon aus, dass in Simulationen großer realer Schüttungen Adaption der DOM als rechenzeiteffizienter Kompromiss mit adäquater Genauigkeit zu bevorzugen ist.[3] Dieser Ansatz wird gegen Messergebnisse des beschriebenen Aufbaus validiert werden.

Die Wärmeleitung zwischen den Stäben ist in dem hier beschriebenen Aufbau soweit technisch möglich unterbunden, da die Stäbe sich nicht berühren. Um auch die Wärmeübertragung durch Konvektion auszuschließen, wird der Aufbau in Zukunft durch eine Vakuumkammer ergänzt.

Abbildung 7: Vergleich zwischen den Emissionsspektren von MP2 im Verbund gemessen (blau) und einem isolierten Stab bei gleicher Temperatur gemessen (orange).

Auf die Reflexion kommt es an

Der beschriebene Versuchsaufbau mit einem Arrangement von Metallstäben und einem modifizierten FTIR-Spektrometer ermöglicht die Untersuchung von Wärmetransport durch Infrarotstrahlung. In einem ersten Versuch wurden rostfreier Stahl und Magnesiumoxid verglichen und die Relevanz der Reflexionseigenschaften des Materials gezeigt. Durch die deutlich höhere Reflektivität der Stahlstäbe durchdringt die Wärmestrahlung ein Stahlbündel besser als ein Magnesiumoxidbündel. Diese ersten Ergebnisse und der Vergleich mit Computersimulationen geben wichtige Impulse für die weitere Erforschung und Modellierung der Wärmeübertragung in Schüttungen. Eine genaue Kenntnis der Mechanismen dieser Wärmeübertragung ermöglicht es, verschiedenste Prozessparameter in großtechnischen Anlagen zu optimieren und somit viel Energie einzusparen. Anwendungsbereiche könnten das Kalkbrennen oder auch die Eisenverarbeitung sein.

[1] Tyslik, M., Ebert, M., Schiemann, M., Wirtz, S., Lessig C. (2024). A numerical and experimental comparison of heat transfer in a quasi two-dimensional packed bed. Particuology. 84: 136–144. ISSN https://doi.org/10.1016/j.partic.2023.03.014.

[2] Tyslik, M., Pörtner, L., Wirtz, S., Schiemann, M. (2024). Experimental investigation of radiative heat propagation in a simplified generic packed bed. Particuology. 88: 149–160. ISSN 1674-2001. https://doi.org/10.1016/j.partic.2023.09.005.

[3] Jaeger, B., Tyslik, M., Wirtz, S., Schiemann, M. (2022). Investigation of the radiative heating of cubic particles with DEM/CFD and the BO/DO approach. Powder Technology. 403: 117424. https://doi.org/10.1016/j.powtec.2022.117424.