Keine trüben Aussichten beim Acrylglas

Einfache Bestimmung des Haze-Werts mit LabSolutions UV-Vis

Dr. Benjamin Thomas, Shimadzu Europa GmbH

Dr. Benjamin ThomasShimadzu Europa GmbH

Produkte aus Acrylglas sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – vom Uhrglas bis zum U-Boot-Druckkörper. Nur die transparenten Trennwände aus der Coronazeit gehören hoffentlich für immer der Vergangenheit an. Je nachdem, ob kristallklarer Durchblick oder Milchglas gefragt ist: Die Trübung der Acrylscheibe wird als sogenannter Haze-Wert definiert, der nach der Norm ASTM D 1003 ermittelt wird. Dieser Wert kann mit einem UV-Vis-Spektralphotometer (kurz Spektrometer) bestimmt werden. Aber: Der Messprozess ist umständlich und im Laboralltag fehlt die Zeit, die dafür benötigten Daten von Hand auszuwerten. Daher galt es, den Prozess zu automatisieren und dabei die Anforderungen der Norm im Blick zu behalten.

Acrylglas ist ein Kunststoff, der seit seiner Erfindung ein breites Anwendungsspektrum gefunden hat. Kein Wunder, denn der Werkstoff ist nicht nur ein Leichtgewicht, sondern kann auch problemlos thermoformiert werden. In den meisten Fällen ersetzt die Kunststoffscheibe Mineralglas und soll daher ebenso transparent sein. Doch es gibt auch Anwendungsbeispiele für transluzentes Acrylglas, beispielsweise als Diffusor in LED-Panels oder zur Beleuchtung unter Wahrung der Privatsphäre (Abbildung 1). Der Grad der Trübung einer Acrylglas-Scheibe ist also eine wichtige Spezifikation für die künftige Nutzung und muss im Rahmen der Qualitätskontrolle überprüft werden.

Nach der Norm ASTM D 1003 wird die optische Qualität von Kunststoffscheiben als sogenannter Haze-Wert angegeben. Dieser ist definiert als das prozentuale Verhältnis von diffuser zu gesamter Transmission von sichtbarem Licht durch die Probe. Je niedriger der Haze-Wert, desto klarer ist das Material.

Die für diese Berechnung benötigten Transmissionswerte werden entweder mit einem speziellen Hazemeter gemessen, das in der Norm exakt beschrieben ist, oder aus Spektren berechnet, die mit einem UV-Vis-Spektralphotometer (kurz Spektrometer) bestimmt werden.

Abbildung 1: Vergleich zwischen einer transparenten und einer transluzenten Acrylglas-Scheibe. Je höher der Anteil der diffusen Transmission ist, desto stärker verschwimmen Konturen, die durch die Scheibe noch wahrgenommen werden.

Hazemeter vs. Spektrometer

In beiden Geräten wird eine Integrationskugel zwischen Probe und Detektor genutzt, um das diffus transmittierte Licht zu sammeln. Dabei handelt es sich um eine Hohlkugel mit hochreflektierender Innenseite, die das Licht sammelt wie ein großer Trichter. Die Spezifikation dieser Kugel ist in der Norm beschrieben und wird von den Shimadzu Integrationskugeln mit 150 mm Innendurchmesser (ISR-1503 und ISR-1053F) erfüllt. Die technischen Details sind in der Applikationsnote A525A erläutert.

Der größte Unterschied zwischen einem Hazemeter und einem Spektrometer ist der Monochromator. Dieser befindet sich im Spektrometer zwischen Lichtquelle und Probe und trennt das weiße Licht der Lichtquelle in die verschiedenen Wellenlängen – in diesem Fall für sichtbares Licht von 380 nm bis 780 nm (Abbildung 2).

Ein Hazemeter verfügt nicht über einen Monochromator und misst somit immer nur einen einzelnen Wert: die Helligkeit der Lichtquelle hinter der Probe. Beim Spektrometer hingegen wird die Transmission der Probe für jede Wellenlänge gemessen. Das hat den Vorteil, dass aus dem Spektrum neben dem Haze-Wert noch andere Parameter berechnet werden können, wie die Farbe oder die Durchlässigkeit speziell von ultraviolettem oder infrarotem Licht. Diese Werte werden je nach Anwendungsgebiet von anderen Normen gefordert, wie der DIN EN 410 für die Farbechtheit und Wärmeisolierung von Fensterglas.

Doch genau diese Vielseitigkeit wird dem Spektrometer zum Verhängnis: Den Haze-Wert zu ermitteln bedeutet einen Mehraufwand gegenüber dem Hazemeter. Berechnung und Auswertung müssen zu großen Teilen noch von Hand erledigt werden. Labore standen also bisher vor der Entscheidung, entweder ein Hazemeter anzuschaffen, das aber nur einem Zweck dient, oder den Mehraufwand in Kauf zu nehmen.

Berechnung des Haze-Werts

Beide Instrumente können sowohl die gesamte Transmission messen, indem alles Licht auf den Detektor abgebildet wird, als auch die diffuse Reflexion, indem nur das an der Probe gestreute Licht auf den Detektor abgebildet wird. Ein Datensatz besteht somit aus den Rohdaten von vier Messungen:

  1. Leermessung mit Messaufbau für die gesamte Transmission, T1 ~ 100%
  2. Gesamte Transmission durch die Probe, T2 ≤ 100%
  3. Leermessung mit Messaufbau für die diffuse Transmission, T3 ~ 0%
  4. An der Probe gestreutes Licht, T4T1

Da bei einer Leermessung kein Licht an einer Probe reflektiert, absorbiert oder gestreut wird, entspricht der Transmissions-Messwert der Leermessung beim Aufbau für die gesamte Transmission idealerweise 100 % und beim Aufbau für die Messung der diffusen Transmission idealerweise 0 %. Wird die Messung durch eine Probe hindurchgeleitet, wird die gesamte Transmission aufgrund von Reflexion und Absorption weniger als 100 % betragen. Der Messwert der diffusen Transmission hängt stark vom Haze-Wert ab und liegt zwischen 0 % (0 % Haze) und dem Messwert der gesamten Transmission (100 % Haze).

Im Fall der Messung per Spektrometer muss zunächst bei jedem der Schritte das gesamte Spektrum in einen einzelnen Transmissionswert konvertiert werden.

Abbildung 2: Schematischer Aufbau eines Hazemeters nach ASTM D 1003 (oben) und eines Spektrometers (unten). Beide Instrumente beinhalten eine Lichtquelle (1), eine Probe (2) und einen Detektor (3), allerdings verfügt das Spektrometer zusätzlich über einen Monochromator (4).

Der Transmissionswert jeder Wellenlänge wird gewichtet mit der Intensität einer simulierten Lichtquelle und der Helligkeitsempfindlichkeit des menschlichen Auges. Die Summe dieser Produkte über alle Wellenlängen im Bereich des sichtbaren Lichts (380 bis 780 nm) wird anschließend berechnet, um das gesamte Spektrum (Intensität gegen Wellenlänge) in einen einzigen Intensitätswert umzuwandeln. Um vergleichbare Werte zu erzielen, sind die Emissionskurven der zulässigen Lichtquellen (Wolframlampe oder Tageslicht) und die Empfindlichkeit des menschlichen Auges für jede Wellenlänge in der ASTM D 1003 näher beschrieben und tabelliert.

Die beschriebene Umwandlung kann für jede Einzelmessung direkt in LabSolutions UV-Vis erfolgen und als automatische Datenverarbeitung voreingestellt werden. Die entsprechenden Tabellen sind bereits in der Software hinterlegt, sodass nur die passende Lichtquelle ausgewählt werden muss.

Der korrigierte Haze-Wert wird aus diesen vier Einzelmessungen berechnet, indem der Haze-Wert der Leermessung (idealerweise 0) vom Haze-Wert der Probe subtrahiert wird:

Dieser letzte Rechenschritt ist für gewöhnlich nicht direkt in der Software des Spektrometers möglich und erfordert den Export der Rohdaten in eine Auswerte-Software, wie beispielsweise Microsoft Excel, MathWorks MATLAB oder OriginLab Origin. Ein manueller Schritt, bei dem sich leicht Fehler einschleichen können.

Der Automatisierungsprozess

Um den Anwendern diesen zeitraubenden Prozess zu erleichtern, musste die LabSolutions UV-Vis Software entsprechend erweitert und automatisiert werden. Nach sorgfältiger Lektüre der ASTM D 1003 wurde zunächst eine Excel-Vorlage für die Auswertung nach manuellem Export der Daten erstellt und anschließend um die automatische Messung erweitert.

In der nun angepassten Software kann zur Vereinfachung eine Excel-Vorlage mit vorbereiteten Formeln oder Makros genutzt werden, um den finalen Report zu erstellen. Für die Anwendung im regulierten Umfeld (21 CFR Part 11) bietet Shimadzu das Multi-Data-Report Werkzeug zum LabSolutions Manager an, eine Tabellenkalkulationsanwendung mit voller Nachvollziehbarkeit über einen Audit Trail und elektronische Unterschriften. Für beide Fälle können vorbereitete Haze-Vorlagen angefragt werden.

Laborsoftware in der Praxis

Vier unterschiedlich eingetrübte Acrylglas-Scheiben mit den dazugehörigen Transmissionsspektren und Haze-Werten (Abbildung 3) dienen dazu, die Auswirkung des Haze-Werts zu demonstrieren. Dazu wurden sie vor das Gesicht der Figur des Shimadzu Gründers Genzo Shimadzu Sr. gestellt.

Die oberste Probe mit einem Haze-Wert von etwa 0 % weist nahezu keine diffuse Transmission auf und das Bild ist klar erkennbar. Während die gesamte Transmission bei allen weiteren Proben nahezu gleich bleibt, steigt der Messwert der diffusen Transmission mit dem Haze-Wert an und die Konturen von Gen-sans Gesicht verschwimmen zunehmend. Bei der untersten Probe mit fast 100 % Haze sind die Konturen kaum noch erkennbar und die Kurven der gesamten und diffusen Transmission sind fast deckungsgleich.

Die Messung der vier benötigten Rohdatensätze und die Analyse werden nun durch das spezielle Messprogramm vereinfacht, das den Nutzer durch die verschiedenen Schritte führt und sicherstellt, dass die Rohdaten im richtigen Format in die Berichtsvorlage eingefügt und ausgewertet werden.

Die grafische Oberfläche dieses Programms ist in Abbildung 4 gezeigt. Anwender werden mit klaren Anweisungen und bei Bedarf auch Abbildungen Schritt für Schritt durch die Analyse geleitet. Die relevanten Metadaten (Handelt es sich um eine Probe- oder Leermessung? Soll die gesamte oder die diffuse Transmission gemessen werden?) werden automatisch im Hintergrund erzeugt und an LabSolutions UV-Vis weitergegeben. Der Report wird anschließend je nach regulatorischer Anforderung per Excel oder Multi-Data-Report erstellt, wobei die hier beschriebenen Formeln bereits in der Reportvorlage hinterlegt sind.

Dadurch entfällt eine Übertragung in ein zusätzliches Programm zur Auswertung. Diese Automatisierung des letzten und entscheidenden Rechenschritts spart Zeit und vermindert Fehler, die durch die Übertragung entstehen können.

Abbildung 3: Beispiele für verschiedene Haze-Werte, ansteigend von der obersten zur untersten Probe. Während die gesamte Transmission (blaue Kurve) für alle Proben nahezu identisch ist, nimmt die diffuse Transmission (orange Linie) mit steigendem Haze-Wert zu.
Abbildung 4: Grafische Oberfläche des LabSolutions UV-Vis Haze-Makros mit klaren Instruktionen zur Vorbereitung der Messung

Der Haze-Wert von Acrylglas ist entscheidend für die technische Anwendung des jeweiligen Produkts. Eine klare Scheibe mit niedrigem Haze-Wert erlaubt einen ungetrübten Blick, während eine trübe Scheibe mit hohem Haze-Wert die Konturen aller dahinter betrachteten Objekte verschwimmen lässt. Die manuelle Bestimmung des Haze-Werts erfordert einiges Hintergrundwissen. Dies wurde durch ein Programm mit automatisierten Messungen und klaren Anweisungen erleichtert und ermöglicht nun auch die Analyse durch weniger erfahrene Anwender. Die LabSolutions UV-Vis Software erlaubt die Automatisierung über Makros und den Export der Daten in Excel. Mit dem hier vorgestellten Paket aus Gerät, Software und Berichtsvorlagen wird dieser Prozess so automatisiert, dass man nur noch die Proben einlegen und „Start“ drücken muss und einen fertigen Bericht erhält.